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Channel: Die Zukunft - Katastrophe
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Gipfel der Eiszeitgötter

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Am 11. Februar 2017 verstarb der große japanische Comic-Künstler Jiro Taniguchi im Alter von 69 Jahren. Beim Hamburger Verlag Schreiber & Leser ist mit „Ice Age Chronicle of the Earth – Band 1“ nur wenige Tage vor dem überraschenden Tod des Manga-Meisters eines seiner frühen Science-Fiction-Werke erstmals auf Deutsch erschienen.

Darin wird die Erde der Zukunft von der achten Eiszeit beherrscht. Mitten in der Arktis liegt die Insel Nunatak, in deren gefrorenem Inneren die Mine Tarpa errichtet wurde, die zur Megalopolis Abyss gehört. Im Hightech-Bergwerk von Morgen suchen die Männer und Frauen, die sich für eine gewisse Zeit im ewigen Eis verpflichtet haben, nach Bodenschätzen. Während die Arbeiter in ihrer Freizeit trinken, raufen und herumhuren, bricht die alte computergesteuerte Mine langsam aber sicher auseinander. Außerdem braut sich über der Insel und der Schlucht mit der Station ein übler Sturm zusammen. Bald erfährt nicht nur der junge, undisziplinierte Takeru, dass der Welt anscheinend große klimatische Veränderungen bevorstehen. Nach einer heftigen Explosion muss die Mine evakuiert werden, doch der anrückende Frachter wird von Packeis-Piraten gekapert. Also machen sich Takeru und eine kleine Mannschaft auf, um Hilfe zu holen. Auf sie warten eine mörderische Kletterpartie, Raubtiere, Stürme und alles, was ihnen die gnadenlos feindselige Umgebung aus Eis und Kälte sonst noch entgegenwirft. Allerdings erfährt Takeru auf der Odyssee auch von der Legende ehrvoller blauer Alien-Götter, deren Rückkehr kurz bevorstehen soll …

Schreiber & Leser arbeitet sich weiter durch das manchmal mächtig trashige, in jedem Fall immer ordentlich genrelastige Frühwerk des japanischen Manga-Maestros Jiro Taniguchi, den man im Westen vor allem für seine jüngeren, ruhigen bis nachdenklichen Comics gefeiert hat und noch eine ganze Weile feiern wird (obwohl das viel beachtete „Vertraute Fremde“, das von Sam Garbarski verfilmt wurde, ebenfalls eine Zeitreise-Geschichte war). Nach dem großformatigen Hardcover-Album „Ikarus“ – Taniguchis Zusammenarbeit mit dem französischen Comic-Gott Moebius aus den späten 90ern – folgt als deutsche Erstveröffentlichung nun „Ice Age Chronicle of the Earth“ in zwei Bänden und im gewohnten A5-Paperback mit Klappenbroschur. Taniguchis eisige, in Graustufen gehaltene Science-Fiction-Vision der Erde entstand Ende der 80er und ist im ersten Teil ein cooles klassisches SF-Abenteuer für alle, die z. B. auch dem frostigen Reiz von Chuck Dixons „Winterwelt“ oder Alan Dean Fosters „Eissegler“-Romanen (im Shop) erlegen sind. Am Anfang versprüht „Ice Age Chronicle of the Earth“ trotz seines irdischen Settings paradoxerweise zudem fast den Charme einer mustergültigen Space Opera, in der eine in fremder Umgebung zusammengewürfelte Besatzung vorgestellt wird, die sich mit allerhand Katastrophen und Gräueln auseinandersetzen muss. 

Ungeachtet der ganzen Action und des unkomplizierten Abenteuers in der zukünftigen Eiszeit kann man bereits im ersten Band Parallelen zu Jiro Taniguchis späterem, anspruchsvollerem Schaffen als Autor und Zeichner ziehen. Die Szene mit einem eingeborenen Jäger und seinem Sohn, die von einem gewaltigen Eiswal überrascht werden, und die Konfrontation mit einem massigen Eisbären erinnern so etwa an Taniguchis höchst lesenswerte, bestens für den Erstkontakt geeignete Kurzgeschichtensammlung „Der Wanderer im Eis“, die im Original 2004 erschienen ist. Anno 2006 war die deutsche Ausgabe bei Schreiber & Leser das erste Werk des 1947 geborenen Jiro Taniguchi, das ins Deutsche übersetzt wurde. Die brenzlige Kletterpartie von Takeru und Co. oberhalb der Mine wies dagegen schon 1988 in Richtung der fünfbändigen Serie „Gipfel der Götter“, die Taniguchi nach dem Jahrtausendwechsel inszenieren sollte und die von S & L zwischen 2007 und 2008 veröffentlicht wurde – wie „Der Wanderer im Eis“ Manga-Kost, die selbst ohne Erfahrung mit fernöstlichen Comics beeindruckt und begeistert. Sowohl in den Kurzgeschichten als auch in der großen Bergsteiger-Saga des japanischen Superstars geht es um das Ringen des Menschen mit sich selbst und mit der atemberaubenden kalten Natur, bei der Schönheit, Gefahr und Grausamkeit Hand in Hand gehen. Und das lässt sich eben genauso über die Arktis als treibende Kraft im relativ klar und realistisch gezeichneten „Ice Age Chronicle of the Earth“ sagen.

Der finale zweite Band, der dann leider schon posthum erscheint, ist für Juli angekündigt.

Abb. © Jiro Taniguchi 2002

Jiro Taniguchi: Ice Age Chronicle of the Earth Bd. 1• Schreiber & Leser, Hamburg 2017 • 270 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 16,95 Euro

 

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Zwei Frauen gegen den Rest der Welt

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Dystopien sind der heiße Scheiß, nahezu wöchentlich flimmern allerdüsterste Zukunftsbilder über die Leinwand oder über den heimischen Empfangsapparat, vor allem die Jugend mag’s offenbar so richtig heftig, dreckig und ultra-pessismistisch, was zur Folge hat, dass so manche young adult fiction den vermeintlichen Erwachsenen-Stoff ganz schön kindisch aussehen lässt.

Wie hip eine zappenduster gezeichnete Zukunft ist, merkt man auch daran, dass „Into The Forest“, eine Dystopie mit einem hoffnungsvollen Ausklang (!), hierzulande nicht ins Kino geschickt, sondern direkt auf Scheibe ausgewertet wurde, aber vielleicht hat auch der eher ruhige Tonfall des Quasi-Zwei-Personenstücks die Verleiher abgeschreckt, an der Qualität des Films kann es jedenfalls nicht wirklich gelegen haben, der hat zwar durchaus seine Macken, hätte aber eine große Leinwand trotzdem mehr als verdient.

„Into The Forest“ basiert auf dem gleichnamigen, bereits 1996 erschienen Young-Adult-Roman von Jean Hegland (hierzulande bei Fischer unter dem Titel „Die Lichtung“ zu haben), der im grassierenden Dystopien-Rausch wieder entdeckt und als eher moderat budgetierte, kanadische Produktion für die Leinwand adaptiert wurde.   

Die Story spielt in der Zukunft, allerdings weisen lediglich zu Anfang Details wie ein Tablet aus Glas daraufhin, der zeitliche Aspekt wird nicht vertieft und spielt für die Handlung auch keine Rolle. An der Nordküste Kanadas fällt der Strom aus, die Wasserversorgung ist ebenfalls unterbrochen. Die Schwestern Eva und Nell, die mit ihrem Vater in den Wäldern im Nordwesten leben, denken sich zuerst nichts Böse dabei. Eva, die eine Karriere als Tänzerin anstrebt, trainiert fleißig weiter und Nell büffelt für ihren Aufnahmetest am College. Doch die Situation verbessert sich nicht, es deutet sich immer mehr an, dass es sich um einen bleibenden Zustand handeln wird. Als der Vater bei einem Arbeitsunfall stirbt, müssen die Schwestern ganz alleine auf sich gestellt, lernen zu überleben, was die Beziehung der beiden immer wieder auf eine Probe stellt, zudem verändert sich nicht nur der bisher so komfortable Alltag drastisch, auch Mitmenschen wie Verkäufer Stan werden zur Gefahr für die beiden jungen, schutzlosen Frauen…

Die Grundidee von „Into The Forest“ ist so einfach wie eindrücklich und könnte gerade – obwohl eigentlich bereits aus den 1990er-Jahren – in unserer heutigen durch und durch bildschirmfixierten Zeit kaum näher am Puls der Moderne liegen: Was ist, wenn die Quelle, die wir alle tagtäglich nutzen, die wir als völlig selbstverständlich, vielleicht sogar gar nicht mehr, wahrnehmen, plötzlich fehlt? Der Film verzichtet dabei dankenswerterweise auf Erklärungen irgendwelcher Art (was eh fast immer in Unglaubwürdigkeiten abgleitet), sondern setzt schlicht und einfach auf die Prämisse „Der Strom ist weg – was nun?“

Regisseurin Patricia Rozema („Mansfield Park“) geht es dabei nicht um möglichst spektakuläre Bilder, die einbrechende Katastrophe wird gerade mal durch Radiomeldungen vermittelt und auch die Geschichte wird relativ linear ohne allzu große Überraschungen von der Schnur geperlt. „Into The Forest“ ist vielmehr ein klassisches Charakterdrama mit dem Touch einer Fallstudie, das einfühlsam und präzise schildert, wie zwei junge Menschen, die alle Annehmlichkeiten der heutigen Zeit gewohnt sind, mit einer sich dramatisch verändernden Umwelt fertig werden. Spätestens mit dem Tod des Vaters ist die Kindheit von Eva und Nell schlagartig zu Ende, die auch in Krisenzeiten noch Sicherheit vermittelnde Instanz fällt weg, von nun an heißt es ohne Netz und doppelten Boden durchs Leben schreiten, was aber nicht ohne große Kompromisse geht, die man vormals nicht unbedingt eingehen musste. Sei es nun in Dingen, die das alltägliche Leben betreffen oder auch einfach nur im Umgang miteinander, die eigene Schwester mag zwar weniger erfreuliche Seiten haben, sie ist aber auch der einzige Mensch, mit dem man durch eine zusehends lebensfeindlicher werdende Umwelt schreiten kann, man erkennt erst, was man einander hat, wenn man niemanden mehr hat.

Es ist diese eher hintergründig eingewobene Botschaft, die Absage an die Egogesellschaft, die dem Film einen großen Reiz verleiht und nicht so sehr die (Rück-) Entwicklung moderner Menschen zu Jägerinnen, Sammlerinnen und Ackerbäuerinnen. Der Weg dahin gestaltet sich dank wunderbarer, filigraner Bilder und tollen Schauspielerinnen zwar durchaus packend, aber auch etwas vorhersehbar, was daran liegt, dass Rozema ihrer Dystopie einen feministischen Anstrich verpasst hat, was auch völlig in Ordnung ist und im Roman nicht anders war, sich hier aber, auch wenn nicht alle männlichen Figuren negativ gezeichnet  werden, etwas arg platt anfühlt: Nicht nur, dass die beiden Mädels und ihr Erzeuger während einer nächtlichen Autofahrt auf waffenschwingende Mordbuben treffen, die allerdings so aussehen, als ob sie auch schon vor der Katastrophe nichts anderes gemacht haben; man wundert sich kaum, dass der schmierig gezeichnete Ladeangestellte Sam, dem das Wort „Vergewaltiger“ regelrecht auf der Stirn zu schimmern scheint,  zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich auftaucht, um Eva zu vergewaltigen. Es ist schade, dass der Film hier nicht den Mut hat die Untiefen von Otto Normalbürger und vielleicht sogar Otto Normalbürgerin auszuloten. Ähnlich flach wummert es leider auf der Soundtrackspur: So bildstark, originell und mit Bedacht (die Vergewaltigungsszene, bei der lediglich das schmerzverzerrte Gesicht Evas gefilmt wird, ist beispielhaft inszeniert und zeigt sämtlichen immer auch ein wenig sleazigen Betroffenheitsdramen den Mittelfinger) sich das intime Katastrophendrama auf visueller Ebene auch gibt, leider erliegt auch „Into The Forest“ – und hier nähert sich die kleine Produktion den großen Kollegen aus Hollywood an – oft der der Versuchung dem Publikum Emotionen mit Indiepop oder Max Richters streicherlastigen Schnulzsoundtrack in die Gehörgänge zu diktieren, anstatt einfach die starken Bildern zu vertrauen.

Trotzdem: Allein die Szene, in der Nell eine Schokoladenpraline entdeckt, mit freudiger Erregung auspackt und mit Genuss vertilgt ist schon die halbe Miete wert – Schokolade als kleines Licht in einer dunklen Welt: Eine längst überfällige Lobpreisung!

„Into The Forest“ ist seit dem 17.02.2017 von Capelight erhältlich.

Into The Forest (Kanada 2015) • Regie: Patricia Rozema • Darsteller: Ellen Page, Evan Rachel Wood, Max Minghella, Callum Keith Rennie, Michael Eklund, Jordana Largy, Sandy Sidhu

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Endlich sturmfreie Bude!

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Ah! Wie geil! Was für eine tolle Prämisse! Auf einer abgelegenen Insel stellt eine Gruppe Jugendliche eines Tages fest, dass alle blöden Erwachsenen verschwunden sind. Was also tun? Na logo! Erstmal Alk her!

Doch wo viel Licht ist, fällt auch Schatten und der ist in diesem Fall besonders dunkel: Als man sich aufmacht um Nachschub zu besorgen, tauchen die ersten Erwachsenen wieder auf - verwandelt in blutgierige Monster, die den Kids ans Eingemachte wollen…der Nachwuchs flieht, muss sich aber nicht nur mit den blutgierigen Verfolgern, sondern auch mit der Frage auseinandersetzen, wann es sie erwischt, denn eine Verwandlung scheint vorbestimmt…

Coming Of Age innerhalb einer Dystopie ist natürlich nichts Neues, aber bei dieser französisch-spanischen Co-Produktion kann man mit Sicherheit einen Blick riskieren, denn die Europäer haben den amerikanischen Regisseuren oft eins voraus, nämlich Stil und der dürfte, was auch schon der Trailer andeutet, ziemlich eindrucksvoll ausfallen, denn am Ruder sitzt Werbefilm-Profi Thierry Poirraud, der 2004 in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Didier die Spaßgranate „Atomic Circus“ auf die Menschheit losließ, 2012 als Co-Regisseur für den launigen „Goal Of The Dead“ verantwortlich war und hier seinen – deutlich ernsthafteren – Solofilm präsentiert.

„Alone“ ist ab dem 24. März 2017 auf DVD und Blu-ray und Digital zu haben.

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Handbestäubte Zukunft

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Nach mehreren Büchern für junge Leser hat die norwegische Autorin und Drehbuchschreiberin Maja Lunde mit „Die Geschichte der Bienen“ ihren ersten Roman für Erwachsene vorgelegt, der mittlerweile in mehr als zwei Dutzend Länder verkauft wurde. Der internationale Erfolg mag sich nicht zuletzt deshalb eingestellt haben, weil die 1975 geborene Lunde auf 500 Seiten eigentlich drei Geschichten erzählt. Aus Sicht ihres Protagonisten-Trios, das insgesamt 250 Jahre Menschheitsgeschichte in Vergangenheit und Zukunft abdeckt, werden sich verändernden Werte in Sachen Gesellschaft und Familie geschildert – und natürlich die titelgebende Geschichte der Bienen, deren Sterben seit Längerem die Gemüter erhitzt, die Experten beschäftigt und auf der ganzen Welt Ökosysteme in arge Bedrängnis bringt.

Denn wir brauchen die Bienen, die einen Großteil aller Pflanzen bestäuben und damit einen wichtigen Faktor in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion darstellen. Doch Pestizide, Klimawandel und Parasiten setzen den emsigen kleinen Brummern schwer zu. In Lundes Roman gibt es im Jahr 2098 längst gar keine Bienen mehr. Die menschliche Zivilisation ist in der Folge endgültig kollabiert, und die neue, auf Nährwerte konzentrierte Ordnung erinnert stark an das, was sonst gestandene Science-Fiction-Autoren wie Paolo Bacigalupi (im Shop) beschreiben. Nur China kriegt es noch halbwegs auf die Reihe, da man hier wegen der immensen Umweltverschmutzung schon vor dem Zusammenbruch auf Handbestäubung umgestellt hat. Zugleich wird noch strenger reguliert, und das Kollektiv geht über alles – fast wie bei den ausgestorbenen Bienen früher. Alles im Land ist darauf ausgerichtet, dass die menschlichen Drohnen ab ihrem achten Lebensjahr den ganzen Tag von Hand die Pflanzen und Bäume bestäuben. Ich-Erzählerin Tao gehört zu den Arbeitskräften, die tagein, tagaus schuften, und dieses Schicksal würde sie ihrem kleinen Sohn Wei-Wen gerne ersparen. Als Wei-Wen eines Tages etwas Schlimmes widerfährt, reist seine Mutter bis in das entvölkerte Peking, wo eine geradezu endzeitliche Stimmung herrscht und Tao über eine unglaubliche Entdeckung stolpert …

Zu diesem futuristischen Handlungsstrang gesellen sich zwei weitere, gleichwertige Familienschicksale aus der Vergangenheit: Zum einen ist da William, ein depressiver englischer Familienvater, Saatguthändler und Naturforscher, der sich 1852 leidenschaftlich mit Bienen beschäftigt und den man als den fiktiven Salieri der Imkerei mit Magazinbeuten bezeichnen könnte – seine erfinderischen Kollegen und Bienenfreunde um Lorenzo Langstroth sind ihm ohne sein Wissen oder Verschulden stets einen Schritt voraus, wenn es um brillante Ideen und Einfälle für fortschrittliche Bienenstöcke geht. Zum anderen ist da der amerikanische Honigfarmer George, der 2007 gegen die gefürchtete Diagnose Colony Collapse Disorder genauso kämpft wie gegen Bankkredite und alle möglichen neuzeitlichen Veränderungen – angefangen bei seinem Sohn, der auf dem College studiert und andere Pläne hat, als den Familienbetrieb zu übernehmen, und seiner Frau, die gerne nach Florida ziehen würde.

Am Ende gelingt es Maja Lunde in ihrem gut durchkomponierten Roman, alle Familien, Geschichten und Epochen elegant miteinander zu verknüpfen. Davon abgesehen, hat jeder ihrer Erzähler seine eigene, an die Zeit und den Hintergrund angepasste Stimme und seine eigenen Probleme, die einem als Leser allesamt wichtig sind – da gibt es keinen Protagonisten, dem man lieber folgt, und schon gar kein Schicksal, das einen kalt lässt, während Lundes Hauptfiguren und Zeitebenen sich kapitelweise munter abwechseln. Schön auch, dass über jedem Kapitel der Name der jeweiligen Hauptfigur steht, wofür man in der gedruckten Ausgabe eine zur Zeit passende Schriftart und Schreibweise ausgewählt hat. Ein hübsches Detail im ohnehin richtig hübsch aufgemachten Hardcover.

Drei Länder, drei Zeitalter, drei Geschichten und mehr als drei Genres: Maja Lunde denkt nicht in Schubladen (wenn, dann in Magazinbeuten) und hat eine klare, nichtsdestotrotz berührende Sprache. So gelang ihr ein herrlicher Roman über die Natur und den Menschen sowie die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; über Eheleute, Eltern und Kinder; darüber, wie alle Dinge auf der Welt zusammenhängen, und wie nahe beisammen Hoffnung und Tragödie liegen; und natürlich über Bienen. Das Ergebnis ist literarischer Honig für alle, die außergewöhnliche Bücher mögen und es nicht zu süß brauchen, was die Story angeht.

Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen • btb, München 2017 • Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein • 512 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

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TV-Tipp - Sonntag, 30. April

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Ohne Frage, „Interstellar“ (2014) hat seine Momente. Momente des Staunes, des Wunders, des berauschenden Schauers. Aber auch solche, in denen man fassungslos ist, was Chistopher Nolan (3x Batman) da geritten hat. Unfreiwillige Komik und Elegie passen aber nicht gut zusammen. Unterm Strich bleibt daher ein arg überfrachtetes Spektakel mit gewaltigen Rissen, das immer kurz davor ist, auseinanderzubrechen.

Und dabei geht es doch um das ganz große Ganze. Um das Schicksal der Welt, die am Rande der (Umwelt-) Zerstörung treibt und die in ihrer Verzweiflung ein Häuflein Astronauten auf den Weg schickt, um eine neue Welt zu finden – vermutlich um diese dann auch noch kaputtzumachen, wie SF-Autor Peter Watts in seiner herrlichen Betrachtung des Films spekuliert.

Wer nie “2001“, „Solaris“ (beide Versionen) oder „Der Mann, der vom Himmel fiel“ gesehen hat, für den könnte „Interstellar“ eine Art Bewusstseinsöffner sein, ein SF-Blockbuster mit Ambition, ohne Raumschlachten, strahlende Helden oder ähnlichem Gedöns, dafür mit esoterischen Konzepten, die man schwer durchblickt. Das ist durchaus eine Qualität: der Blick auf ein anderes Kino, andere Literatur, dem hoffentlich der Wunsch folgt, mehr zu entdecken. Wenn das gelingt, hat Nolan alles richtig gemacht, auch wenn er ziemlich krachend scheitert.

Wer „Interstellar“ nicht kennt, sollte unbedingt mal reinschauen und sich selbst ein Bild machen. Dazu gibt es am Sonntag, den 30. April, um 20:15 Uhr auf Pro7 Gelegenheit. Wiederholt wird am 1. Mai um 22:55 Uhr.

Ausführlicher beschäftigt sich Christopher Büchele hier mit dem Film.

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Meiner ist größer als deiner!

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Als Toho Ende 2014 Ankündigungen für einen neuen Godzilla-Film in die Welt schickte, war die Aufregung so groß, dass die altehrwürdige Produktionsschmiede regelrecht mit der Fliegenklatsche informationshungrige Otakus wegpatschen musste. Das Interesse am legendären Megamonster war trotz der Box-Office-Arschbombe „Godzilla: Final Wars“ von 2004 immer noch ungebrochen und wurde von der finanziell erfolgreichen US-Variante „Godzilla“ von Gareth Edwards noch mal so richtig entflammt: Was die Amis können, können wir schon lange und natürlich wird unserer viel größer!

Allerdings schien man aus den Fehlern des Vorgängers gelernt zu haben. Anstatt einen mit Großprojekten dieser Art unvertrauten Krawallbruder wie Ryūhei Kitamura holte man sich dieses Mal mit Hideaki Anno (Co-Schöpfer von „Neon Genesis Evangelion“) und Shinji Higuchi (unter anderem verantwortlich für die Effekte bei Shusuke Kanekos zwischen 1995 und 1999 entstandener „Gamera“-Trilogie) zwei erfahrene Cracks ins Haus, die dann 2016 auch so richtig die Kinokassen in Japan rattern ließen. Kein Film war in diesem Jahr erfolgreicher und auch keiner der Teile der Serie holte mehr Yen nach Hause als „Shin Godzilla“ – die Resonanz war allerdings zwiegespalten, die heimischen Kritiker waren weitaus begeisterter als außerhalb Nippons. Das kann man durchaus nachvollziehen, denn der Film der beiden Regisseure wirkt tatsächlich leicht befremdlich: Wer fluffig leichten Monsterspaß erwartet, wird enttäuscht die Leinwand niedertrampeln, denn der 29. Film der Reihe (wenn man die beiden US-Versionen nicht mitzählt, aber wer macht das schon?) entpuppt sich als verhältnismäßig geerdeter, soweit man das in diesem Zusammenhang sagen kann, „realistischer“ Katastrophenthriller, der ähnlich wie Ishirô Hondas Ur-Film von 1954 Godzilla als Metapher nutzt, in diesem Fall natürlich für die große Katastrophe von 2011.

Der Plot ist dabei an sich der Gleiche wie so oft zuvor; das Monster wird wach und allerlei Leute überlegen sich, wie man es wieder Schlafen legen kann. Anders als zuvor, oder auch bei Edwards Fassung, ziehen hier allerdings, abgesehen von kleineren Rempeleien, Politiker, Militär und Wissenschaftler weitgehend an einem Strang, weswegen dem Film von der Kritik eine patriotische Ader im besten Roland-Emmerich-Stil vorgehalten wurde, zumal auch gegen die USA gestichelt wird, die natürlich gleich alles mit Atombomben platt machen will. Allerdings keilt „Shin Godzilla“ subtil ebenso in die eigene Richtung und macht sich unter anderem über japanisches Krisenmanagement lustig, des weiteren wird auf klassische Plotstrukturen zu Gunsten eines eher gebremsten Tons verzichtet: Helden im klassischen Sinne gibt es nicht, lediglich so was wie eine Hauptfigur, der Community-Gedanke steht aber klar im Vordergrund, es wird zusammen überlegt, ausgelotet, probiert und gewonnen – letzteres sogar nur auf Zeit, der Film verkneift sich auch beim Finale allzu große emotionale Überschwänglichkeiten.

Die eigentliche, auf dem ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftige, auf dem zweiten aber liebevoll gestaltete und – man hat Wort gehalten – über 10 Meter größere Hauptattraktion, schaut da gerade mal in einer Handvoll Szenen vorbei, allerdings sind diese auf das Wunderbarste mit perfektem Timing in die Handlung eingebunden, man kann den Machern nicht gerade vorwerfen, dass sie ihr größtes Kapitel sinnlos verheizen. Vor allem eine Sequenz dürfte zum Godzilla-Evergreen mutieren: Wenn das von der US-Air-Force attackierte Monster glühend ein nächtliches Tokio beleuchtet und unter Schmerzen, auf der Tonspur begleitet von einer klassischen Arie, mit einem ausgespieenen Flamenstrahl die Stadt in ein nukleares Feuer taucht, werden Fan-Knie weich, das sind ikonische, mit einem guten Schuss Tragik gewürzte Momente, die tief den Geist des Originals einatmen.

„Shin Godzilla“ ist sicherlich ein Film, über den man sich, wie bei allen Teilen von langlebigen Franchisen, wunderbar die Köppe einhauen kann, es ist aber kein Film, der spurlos an einem vorübergeht und das ist für den immerhin 29. Teil einer Serie ein ordentliches Plus auf dem Konto.

„Shin Godzilla“ läuft zwischen dem 03.05. und dem 07.05.2017 im Kino– alle Termine auf das-monster-kommt.de

Shin Godzilla• Japan 2016 • Regie: Hideaki Anno, Shinji Higuchi • Darsteller: Hiroki Hasegawa, Yutaka Takenouchi, Satomi Ishihara, Ren Ôsugi, Pierre Taki, Jun Kunimura • Abb.: © 2016 Toho Co. Ltd.

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Leicht entflammbare Endzeit

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Die meisten wissen inzwischen, dass Joe Hill (im Shop) der Sprössling von Autorengott Stephen King (im Shop) ist. Wer das weiß, hat in der Regel aber auch mitbekommen, dass der 1972 geborene Sohn der Horror-Legende sich mit seinen in „Black Box“ gesammelten Kurzgeschichten, Romanen wie „Blind“ oder „Christmasland“ und der Comic-Serie „Locke & Key“ selbst einen Namen als Horror-Autor gemacht hat, der mit dem Bram Stoker Award, dem World Fantasy Award, dem Eisner Award, dem British Fantasy Award, dem Thriller Award und dem International Horror Guild Award ausgezeichnet wurde. Mit seinem neuesten Roman „Fireman“ (im Shop), der im englischen Original die Bestsellerliste der „New York Times“ anführte, bereits für eine Verfilmung vorgesehen ist und seit Anfang Mai auf Deutsch bei Heyne vorliegt, legt Hill nun seinen ersten endzeitlichen Science-Fiction-Roman vor – und setzt das Subgenre ideenreich in Flammen, während er die moderne Zivilisation abfackelt.

Aus Sicht der hilfsbereiten, willensstarken Krankenschwester Harper beschreibt Hill, wie die Menschheit von einer Sporenplage in die Knie gezwungen wird. Wer sich den Pilz einfängt, erkennt das erst an schwarz-goldenen Streifen auf der Haut, die immer auf ein bestimmtes Ende hinauslaufen: Patienten, die sich mit Draco Incendia Trychophyton angesteckt haben, verbrennen am Ende sich selbst und alles in ihrer Nähe. Durch die katastrophale pyromantische Flammenseuche, die Amerika heimsucht, verliert Harper ihre Ehe und ihr bisheriges Leben. Allerdings bewahrt sie der so genannte Fireman, der die Feuerkrankheit anscheinend zu beherrschen gelernt hat, vor Schlimmeren und bringt Harper in ein gut verborgenes Camp. Dort verstecken sich viele Infizierte vor ihren Häschern, die der Seuche mit Verfolgung und Auslöschung Einhalt gebieten wollen, wohingegen sie im Camp die Flammen regelrecht willkommen heißen und akzeptieren. Außerdem wird das Lager mit strenger Hand geführt, sodass es nicht lange dauert, bis es für Harper erneut heiß hergeht …

Letztlich bedient Joe Hill mit seinem bis dato dicksten Werk, an dem er vier Jahre gearbeitet hat, nicht nur das endzeitliche Genre, sondern gleich auch noch das dystopische. Gespeist ist sein üppiger Ausflug in diese rege besuchte Ecke der zeitgenössischen Science-Fiction-Literatur von großen, erfolgreichen Autoren wie Ray Bradbury, J. K. Rowling und, natürlich, Stephen King, der mit „The Stand“ einst ebenfalls ein umfangreiches Endzeit-Epos verfasst hat – Hill sagt mittlerweile, dass es für ihn nach all den Jahren angenehmer ist, die Fußspuren seines berühmten Vaters bewusst zu durchkreuzen, anstatt sie mühsam und verkrampft zu umgehen. Dazu kommt, dass „Fireman“ mehr noch als „Christmasland“ deutlich macht, zu welcher Generation Hill gehört. Jener Generation Autoren nämlich, um die herum das Geektum respektabel und salonfähig wurde, weshalb sie letztlich aus dem Herzen ihres eigenen Geek-Königreichs schreiben, das sie mit vielen anderen teilen, die Feuer und Flamme für dieselben Dinge sind. Im Fall von „Fireman“ sieht man das an jeder Menge Anspielungen und Referenzen auf Mary Poppins, Captain America, The Walking Dead (im Shop), die Transformers und vieles mehr.

Joe Hill verbrennt seit „Teufelszeug“ unterwegs eigentlich immer etwas zu viel Papier und dürfte gerne mal wieder einen etwas dünneren Roman schreiben – trotzdem bietet „Fireman“ das innovativste und fantastischste Endzeit-Szenario seit Langem. Wer die üblichen Beschränkungen und Bedingungen leid ist, wenn es um den Untergang der heutigen Zivilisation geht, und auf dicke Wälzer mit einem hitzigen Hauch von Dystopie steht, dürfte am Ende höchstwahrscheinlich zu den vielen Lesern gehören, deren Lesedurst Mr. Hill mit seinem „Fireman“ problemlos zu löschen vermag.

Joe Hill: Fireman • Aus dem Englischen von Ronald Gutberlet • Heyne, München 2017 • 958 Seiten • E-Book: 13,99 Euro (im Shop)

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Produktiver Blizzard

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Christopher Golden (im Shop) schreibt und schreibt und schreibt, und zwischendurch gibt er auch noch Anthologien heraus. In den letzten Jahren arbeitete der 1967 geborene Amerikaner mit Hellboy-Schöpfe Mike Mignola an diversen Comics, Büchern und Anthologien zusammen, außerdem schrieb Golden in seiner Karriere schon Romane zu Multimedia-Erfolgen wie „Alien“, „Buffy“ und „Battlestar Galactica“ (über seinen „Engels-Punisher“ breiten wir lieber mal den Mantel des Schweigens). An der Buchfront ist nach dem Techno-Thriller „Krieg der Maschinen“ und dem SF-Horror in „Alien – Der verlorene Planet“ soeben Goldens Mystery-Thriller „Snowblind“ auf Deutsch erschienen, der u. a. von Horror-König Stephen King (im Shop) in höchsten Tönen gelobt wurde, während auch George R. R. Martin (im Shop) und Jonathan Maberry voll des Lobes für ihren fleißigen Kollegen sind.

„Snowblind“ wurde von Stephanie Pannen übersetzt und präsentiert sich als eines von Goldens typischen, unübersehbar auf Gefälligkeit getrimmten Werken, die Genre-Fans und Mainstream-Leser gleichermaßen goutieren können sollen. Solide Figuren und Dialoge aus dem belletristischen Baukasten für amerikanische Kleinstädte treffen auf eine übernatürliche Komponente um frostige Monster, eisige Tragödien und kaltes Graues im Blizzard, wobei geliebte Menschen auseinandergerissen und unverhofft wieder zusammen gebracht werden und sich dem kalten Schrecken stellen müssen. Das füllt mit mal höheren, mal flacheren literarischen und dramaturgischen Schneewehen handelsübliche 450 Seiten und liegt bei Cross Cult als Paperback und E-Book vor.

Christopher Golden: Snowblind – Tödlicher Schnee • Cross Cult, Ludwigsburg 2016 • 455 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 15,00 Euro

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Stürmische Zeiten

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Ein Geostorm ist eine kataklysmische Katastrophe, erfahren wir in Dean Devlins Kracher „Geostorm“ bald, eine Verkettung von Wetterkatastrophen, die ein Unwetter schier biblischen Ausmaß entstehen lassen. Praktischerweise können NASA-Wissenschaftler in der nahen Zukunft offenbar auf die Minute genau voraussehen, wann so ein Geostorm beginnt, so dass bald ein Countdown startet: 90 Minuten bleibt unserem Helden Jake Lawson (Gerald Butler) noch, um das Desaster zu verhindern, doch bis dahin werden „kleinere“ Unwetter schon Moskau, Dubai, einen Slum in Indien und diverse andere Orte auf der Welt zerstört haben, die so schnell Flutwellen, Hagel, Vereisungen und allen anderen erdenklichen Wetterkatastrophen zum Opfer fallen, dass man bald den Überblick verliert.

Ja, „Geostorm“ ist einer dieser modernen Blockbuster, der sich in gigantomanischen Zerstörungsorgien gefällt, aber keine Figur opfern mag, die länger als zehn Sekunden im Bild zu sehen ist, dafür aber Millionen Gesichtslose über die Klinge springen lässt. Einzige Ausnahme ist der Bösewicht, denn im Gegensatz zu etwa Roland Emmerichs Wetter-Schocker „The Day After Tomorrow“, ist nicht das Wetter, also die Natur an sich der Antagonist, sondern finstere Politiker. In bester „24“-Verschwörungsmanier versuchen die, eingebettet ins Weiße Haus, die Macht an sich zu reißen, diesmal allerdings nicht durch Attentate oder Terror, sondern tatsächlich durch das Wetter. Denn in der nahen Zukunft, in der „Geostorm“ spielt, ist es der Menschheit gelungen durch Geoengineering das Wetter zu kontrollieren und damit die zunehmenden Auswüchse des globalen Wetters abzuschwächen.

Was sich auf den ersten Blick wie Science-Fiction anhört ist in Wirklichkeit eine Technik, über die zunehmend nachgedacht wird und von China schon eingesetzt wurde, um etwa während der Olympischen Spiele im notorisch versmogten Beijing, die Luft zu verbessern. Gerade angesichts eines amerikanischen Präsidenten, der den Klimawandel verneint eigentlich ein extrem zeitgemäßes Thema, auch wenn man sich vielleicht fragen kann, ob zumindest der amerikanische Zuschauer angesichts der jüngsten Welle von Hurrikans, die ganze Städte unter Wasser setzten, Lust darauf hat, sich im Kino von Naturkatastrophen unterhalten zu lassen. Dabei ist „Geostorm“ – das späte Regie-Debüt des langjährigen Roland Emmerich-Mitarbeiters Dean Devlin – tatsächlich ein großer Spaß, ungefähr auf dem Level der frühen, überdrehten und kruden Emmerich-Filmen wie „Universal Soldier“ oder „Stargate“. Filme also, die als Basis spannende Ideen hatten, die Grundlage von schlichter B-Picture-Dramaturgie waren. In dieser Manier läuft auch „Geostorm“ ab, ohne besondere Logik, aber mit einer Rasanz, die beeindruckt. Dass er am Ende ein bisschen zu schlicht ist, um als Kommentar über die Auswüchse des Klimawandels ernst genommen zu werden – was ursprünglich fraglos intendiert war – mag man bedauern, allerdings sollte man ja nun wirklich nicht ins Kino gehen müssen, um von der Realität der Erderwärmung überzeugt werden zu müssen.

„Geostorm“ startet am 19. Oktober im Kino.

Geostorm• USA 2017 • Regie: Dean Devlin • Darsteller: Gerald Butler, Jim Sturgess, Ed Harris, Andy Garcia, Alexandra Maria Lara

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Erwachsenwerden in der Endzeit

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Am Tag vor ihrem dreizehnten Geburtstag erfährt Magda, dass die Welt in einem Jahr durch einen gewaltigen Vulkanausbruch und andere Naturkatastrophen untergeht. Die Menschen wissen also, dass ihr Leben nach dem nächsten Durchlauf der Jahreszeiten vorbei sein wird, und das verändert alles. Manche versuchen, einfach stoisch weiterzumachen, bis selbst sie keinen Sinn mehr in Schule oder Job sehen; andere brechen sofort mit ihren bisherigen Lebensgewohnheiten, um die letzten Monate all das zu machen, was sie bis dato nie getan haben. Magdas Vater zum Beispiel verlässt seine Frau und seine beiden Töchter, damit er mit seiner Geliebten zusammen sein kann. Als die Ordnung der Dinge immer deutlicher zu zerbröckeln beginnt und auch schon mal der Strom ausfällt, weil niemand mehr im Kernkraft zur Arbeit erscheint, schaltet Magda ebenfalls auf rücksichtslos: Wenn sie schon nur noch ein läppisches Jahr hat und jung sterben muss, will sie mitnehmen, was geht. Sie lässt sich unbedacht mit Jungs ein und schließt sich sogar einer Diebesbande an, deren Mitglieder keine Angst vor dem sicheren Tod haben …

Mit „Magdas Apokalypse“ gibt die 1988 geborene Fotografin Chloé Vollmer-Lo ihr vielversprechendes Debüt als Comic-Autorin. Obwohl die Prämisse ihres Szenarios um den Druck der feststehenden Apokalypse so neu nicht ist und z. B. an Ben Winters endzeitlichen Roman-Krimi „Der letzte Polizist“ (im Shop) erinnert, hat sie durch die überzeugend ausgeführte Coming-of-Age-Komponente doch ihre eigene Variante geschaffen. Als eifriger Genre-Leser freut man sich besonders darüber, dass ihre emotional einnehmende Endzeit-Geschichte nicht zur kitschigen Sorte gehört, obwohl sie für die sympathisch realistisch angelegte Magda eine nette Romanze mit einem verruchten Jungen bereithält. Die funktionierenden Klischees, die Vollmer-Lo in ihrer Story verbaut, stören unterwegs zum Finale kein bisschen, zumal sich ihr Ende in seiner Konsequenz bewusst von der schmusigen Genre-Verwandtschaft abwendet.

Anders als Vollmer-Lo, hat die Illustratorin und Storyboard-Künstlerin Carole Maurel seit 2012 bereits mehrere Comics veröffentlicht. Ihr hübscher Stil zeigt einmal mehr, dass die Comic-Welt enger zusammenrückt. Oft kann man ohne Vorwissen gar nicht mehr bestimmen, ob eine Bildergeschichte nun von einem ehemaligen Disney-Animationszeichner aus den USA, einem Independent-Künstler aus Kanada, Brasilien oder Israel, oder von einem Zeichner aus dem frankobelgischen Raum stammt. Die letzten zwei Generationen Kreativer wurden von denselben Comics, Manga und Anime geprägt, und oft kommt bei den Machern ein Background in den Bereichen Werbung oder Animation dazu. Das aus diesen Einflüssen kanalisierte Ergebnis kann sich aber in jedem Fall sehen lassen, und „Magdas Apokalypse“ bildet da keine Ausnahme. Der 1980 geborenen Maurel gelingt es scheinbar problemlos, Verzweiflung, Zügellosigkeit, Sex und Gewalt ausdrucksstark festzuhalten.

„Magdas Apokalypse“ ist ein starkes endzeitliches Coming-of-Age-Drama, das den drohenden Weltuntergang als Brandbeschleuniger nutzt. Man sieht die im Kino wenig beachtete, von der Kritik gepriesene Independent-Verfilmung aus Frankreich und die Geheimtipp-Ausstrahlung auf Arte praktisch schon vor sich.

Chloé Vollmer-Lo & Carole Maurel: Magdas Apokalypse• Splitter, Bielefeld 2017 • 192 Seiten • Hardcover: 24,80 Euro

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Gipfel der Eiszeitgötter

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Am 11. Februar 2017 verstarb der große japanische Comic-Künstler Jiro Taniguchi im Alter von 69 Jahren. Beim Hamburger Verlag Schreiber & Leser ist mit „Ice Age Chronicle of the Earth – Band 1“ nur wenige Tage vor dem überraschenden Tod des Manga-Meisters eines seiner frühen Science-Fiction-Werke erstmals auf Deutsch erschienen.

Darin wird die Erde der Zukunft von der achten Eiszeit beherrscht. Mitten in der Arktis liegt die Insel Nunatak, in deren gefrorenem Inneren die Mine Tarpa errichtet wurde, die zur Megalopolis Abyss gehört. Im Hightech-Bergwerk von Morgen suchen die Männer und Frauen, die sich für eine gewisse Zeit im ewigen Eis verpflichtet haben, nach Bodenschätzen. Während die Arbeiter in ihrer Freizeit trinken, raufen und herumhuren, bricht die alte computergesteuerte Mine langsam aber sicher auseinander. Außerdem braut sich über der Insel und der Schlucht mit der Station ein übler Sturm zusammen. Bald erfährt nicht nur der junge, undisziplinierte Takeru, dass der Welt anscheinend große klimatische Veränderungen bevorstehen. Nach einer heftigen Explosion muss die Mine evakuiert werden, doch der anrückende Frachter wird von Packeis-Piraten gekapert. Also machen sich Takeru und eine kleine Mannschaft auf, um Hilfe zu holen. Auf sie warten eine mörderische Kletterpartie, Raubtiere, Stürme und alles, was ihnen die gnadenlos feindselige Umgebung aus Eis und Kälte sonst noch entgegenwirft. Allerdings erfährt Takeru auf der Odyssee auch von der Legende ehrvoller blauer Alien-Götter, deren Rückkehr kurz bevorstehen soll …

Schreiber & Leser arbeitet sich weiter durch das manchmal mächtig trashige, in jedem Fall immer ordentlich genrelastige Frühwerk des japanischen Manga-Maestros Jiro Taniguchi, den man im Westen vor allem für seine jüngeren, ruhigen bis nachdenklichen Comics gefeiert hat und noch eine ganze Weile feiern wird (obwohl das viel beachtete „Vertraute Fremde“, das von Sam Garbarski verfilmt wurde, ebenfalls eine Zeitreise-Geschichte war). Nach dem großformatigen Hardcover-Album „Ikarus“ – Taniguchis Zusammenarbeit mit dem französischen Comic-Gott Moebius aus den späten 90ern – folgt als deutsche Erstveröffentlichung nun „Ice Age Chronicle of the Earth“ in zwei Bänden und im gewohnten A5-Paperback mit Klappenbroschur. Taniguchis eisige, in Graustufen gehaltene Science-Fiction-Vision der Erde entstand Ende der 80er und ist im ersten Teil ein cooles klassisches SF-Abenteuer für alle, die z. B. auch dem frostigen Reiz von Chuck Dixons „Winterwelt“ oder Alan Dean Fosters „Eissegler“-Romanen (im Shop) erlegen sind. Am Anfang versprüht „Ice Age Chronicle of the Earth“ trotz seines irdischen Settings paradoxerweise zudem fast den Charme einer mustergültigen Space Opera, in der eine in fremder Umgebung zusammengewürfelte Besatzung vorgestellt wird, die sich mit allerhand Katastrophen und Gräueln auseinandersetzen muss. 

Ungeachtet der ganzen Action und des unkomplizierten Abenteuers in der zukünftigen Eiszeit kann man bereits im ersten Band Parallelen zu Jiro Taniguchis späterem, anspruchsvollerem Schaffen als Autor und Zeichner ziehen. Die Szene mit einem eingeborenen Jäger und seinem Sohn, die von einem gewaltigen Eiswal überrascht werden, und die Konfrontation mit einem massigen Eisbären erinnern so etwa an Taniguchis höchst lesenswerte, bestens für den Erstkontakt geeignete Kurzgeschichtensammlung „Der Wanderer im Eis“, die im Original 2004 erschienen ist. Anno 2006 war die deutsche Ausgabe bei Schreiber & Leser das erste Werk des 1947 geborenen Jiro Taniguchi, das ins Deutsche übersetzt wurde. Die brenzlige Kletterpartie von Takeru und Co. oberhalb der Mine wies dagegen schon 1988 in Richtung der fünfbändigen Serie „Gipfel der Götter“, die Taniguchi nach dem Jahrtausendwechsel inszenieren sollte und die von S & L zwischen 2007 und 2008 veröffentlicht wurde – wie „Der Wanderer im Eis“ Manga-Kost, die selbst ohne Erfahrung mit fernöstlichen Comics beeindruckt und begeistert. Sowohl in den Kurzgeschichten als auch in der großen Bergsteiger-Saga des japanischen Superstars geht es um das Ringen des Menschen mit sich selbst und mit der atemberaubenden kalten Natur, bei der Schönheit, Gefahr und Grausamkeit Hand in Hand gehen. Und das lässt sich eben genauso über die Arktis als treibende Kraft im relativ klar und realistisch gezeichneten „Ice Age Chronicle of the Earth“ sagen.

Der finale zweite Band, der dann leider schon posthum erscheint, ist für Juli angekündigt.

Abb. © Jiro Taniguchi 2002

Jiro Taniguchi: Ice Age Chronicle of the Earth Bd. 1• Schreiber & Leser, Hamburg 2017 • 270 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 16,95 Euro

 

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Zwei Frauen gegen den Rest der Welt

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Dystopien sind der heiße Scheiß, nahezu wöchentlich flimmern allerdüsterste Zukunftsbilder über die Leinwand oder über den heimischen Empfangsapparat, vor allem die Jugend mag’s offenbar so richtig heftig, dreckig und ultra-pessismistisch, was zur Folge hat, dass so manche young adult fiction den vermeintlichen Erwachsenen-Stoff ganz schön kindisch aussehen lässt.

Wie hip eine zappenduster gezeichnete Zukunft ist, merkt man auch daran, dass „Into The Forest“, eine Dystopie mit einem hoffnungsvollen Ausklang (!), hierzulande nicht ins Kino geschickt, sondern direkt auf Scheibe ausgewertet wurde, aber vielleicht hat auch der eher ruhige Tonfall des Quasi-Zwei-Personenstücks die Verleiher abgeschreckt, an der Qualität des Films kann es jedenfalls nicht wirklich gelegen haben, der hat zwar durchaus seine Macken, hätte aber eine große Leinwand trotzdem mehr als verdient.

„Into The Forest“ basiert auf dem gleichnamigen, bereits 1996 erschienen Young-Adult-Roman von Jean Hegland (hierzulande bei Fischer unter dem Titel „Die Lichtung“ zu haben), der im grassierenden Dystopien-Rausch wieder entdeckt und als eher moderat budgetierte, kanadische Produktion für die Leinwand adaptiert wurde.   

Die Story spielt in der Zukunft, allerdings weisen lediglich zu Anfang Details wie ein Tablet aus Glas daraufhin, der zeitliche Aspekt wird nicht vertieft und spielt für die Handlung auch keine Rolle. An der Nordküste Kanadas fällt der Strom aus, die Wasserversorgung ist ebenfalls unterbrochen. Die Schwestern Eva und Nell, die mit ihrem Vater in den Wäldern im Nordwesten leben, denken sich zuerst nichts Böse dabei. Eva, die eine Karriere als Tänzerin anstrebt, trainiert fleißig weiter und Nell büffelt für ihren Aufnahmetest am College. Doch die Situation verbessert sich nicht, es deutet sich immer mehr an, dass es sich um einen bleibenden Zustand handeln wird. Als der Vater bei einem Arbeitsunfall stirbt, müssen die Schwestern ganz alleine auf sich gestellt, lernen zu überleben, was die Beziehung der beiden immer wieder auf eine Probe stellt, zudem verändert sich nicht nur der bisher so komfortable Alltag drastisch, auch Mitmenschen wie Verkäufer Stan werden zur Gefahr für die beiden jungen, schutzlosen Frauen…

Die Grundidee von „Into The Forest“ ist so einfach wie eindrücklich und könnte gerade – obwohl eigentlich bereits aus den 1990er-Jahren – in unserer heutigen durch und durch bildschirmfixierten Zeit kaum näher am Puls der Moderne liegen: Was ist, wenn die Quelle, die wir alle tagtäglich nutzen, die wir als völlig selbstverständlich, vielleicht sogar gar nicht mehr, wahrnehmen, plötzlich fehlt? Der Film verzichtet dabei dankenswerterweise auf Erklärungen irgendwelcher Art (was eh fast immer in Unglaubwürdigkeiten abgleitet), sondern setzt schlicht und einfach auf die Prämisse „Der Strom ist weg – was nun?“

Regisseurin Patricia Rozema („Mansfield Park“) geht es dabei nicht um möglichst spektakuläre Bilder, die einbrechende Katastrophe wird gerade mal durch Radiomeldungen vermittelt und auch die Geschichte wird relativ linear ohne allzu große Überraschungen von der Schnur geperlt. „Into The Forest“ ist vielmehr ein klassisches Charakterdrama mit dem Touch einer Fallstudie, das einfühlsam und präzise schildert, wie zwei junge Menschen, die alle Annehmlichkeiten der heutigen Zeit gewohnt sind, mit einer sich dramatisch verändernden Umwelt fertig werden. Spätestens mit dem Tod des Vaters ist die Kindheit von Eva und Nell schlagartig zu Ende, die auch in Krisenzeiten noch Sicherheit vermittelnde Instanz fällt weg, von nun an heißt es ohne Netz und doppelten Boden durchs Leben schreiten, was aber nicht ohne große Kompromisse geht, die man vormals nicht unbedingt eingehen musste. Sei es nun in Dingen, die das alltägliche Leben betreffen oder auch einfach nur im Umgang miteinander, die eigene Schwester mag zwar weniger erfreuliche Seiten haben, sie ist aber auch der einzige Mensch, mit dem man durch eine zusehends lebensfeindlicher werdende Umwelt schreiten kann, man erkennt erst, was man einander hat, wenn man niemanden mehr hat.

Es ist diese eher hintergründig eingewobene Botschaft, die Absage an die Egogesellschaft, die dem Film einen großen Reiz verleiht und nicht so sehr die (Rück-) Entwicklung moderner Menschen zu Jägerinnen, Sammlerinnen und Ackerbäuerinnen. Der Weg dahin gestaltet sich dank wunderbarer, filigraner Bilder und tollen Schauspielerinnen zwar durchaus packend, aber auch etwas vorhersehbar, was daran liegt, dass Rozema ihrer Dystopie einen feministischen Anstrich verpasst hat, was auch völlig in Ordnung ist und im Roman nicht anders war, sich hier aber, auch wenn nicht alle männlichen Figuren negativ gezeichnet  werden, etwas arg platt anfühlt: Nicht nur, dass die beiden Mädels und ihr Erzeuger während einer nächtlichen Autofahrt auf waffenschwingende Mordbuben treffen, die allerdings so aussehen, als ob sie auch schon vor der Katastrophe nichts anderes gemacht haben; man wundert sich kaum, dass der schmierig gezeichnete Ladeangestellte Sam, dem das Wort „Vergewaltiger“ regelrecht auf der Stirn zu schimmern scheint,  zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich auftaucht, um Eva zu vergewaltigen. Es ist schade, dass der Film hier nicht den Mut hat die Untiefen von Otto Normalbürger und vielleicht sogar Otto Normalbürgerin auszuloten. Ähnlich flach wummert es leider auf der Soundtrackspur: So bildstark, originell und mit Bedacht (die Vergewaltigungsszene, bei der lediglich das schmerzverzerrte Gesicht Evas gefilmt wird, ist beispielhaft inszeniert und zeigt sämtlichen immer auch ein wenig sleazigen Betroffenheitsdramen den Mittelfinger) sich das intime Katastrophendrama auf visueller Ebene auch gibt, leider erliegt auch „Into The Forest“ – und hier nähert sich die kleine Produktion den großen Kollegen aus Hollywood an – oft der der Versuchung dem Publikum Emotionen mit Indiepop oder Max Richters streicherlastigen Schnulzsoundtrack in die Gehörgänge zu diktieren, anstatt einfach die starken Bildern zu vertrauen.

Trotzdem: Allein die Szene, in der Nell eine Schokoladenpraline entdeckt, mit freudiger Erregung auspackt und mit Genuss vertilgt ist schon die halbe Miete wert – Schokolade als kleines Licht in einer dunklen Welt: Eine längst überfällige Lobpreisung!

„Into The Forest“ ist seit dem 17.02.2017 von Capelight erhältlich.

Into The Forest (Kanada 2015) • Regie: Patricia Rozema • Darsteller: Ellen Page, Evan Rachel Wood, Max Minghella, Callum Keith Rennie, Michael Eklund, Jordana Largy, Sandy Sidhu

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Endlich sturmfreie Bude!

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Ah! Wie geil! Was für eine tolle Prämisse! Auf einer abgelegenen Insel stellt eine Gruppe Jugendliche eines Tages fest, dass alle blöden Erwachsenen verschwunden sind. Was also tun? Na logo! Erstmal Alk her!

Doch wo viel Licht ist, fällt auch Schatten und der ist in diesem Fall besonders dunkel: Als man sich aufmacht um Nachschub zu besorgen, tauchen die ersten Erwachsenen wieder auf - verwandelt in blutgierige Monster, die den Kids ans Eingemachte wollen…der Nachwuchs flieht, muss sich aber nicht nur mit den blutgierigen Verfolgern, sondern auch mit der Frage auseinandersetzen, wann es sie erwischt, denn eine Verwandlung scheint vorbestimmt…

Coming Of Age innerhalb einer Dystopie ist natürlich nichts Neues, aber bei dieser französisch-spanischen Co-Produktion kann man mit Sicherheit einen Blick riskieren, denn die Europäer haben den amerikanischen Regisseuren oft eins voraus, nämlich Stil und der dürfte, was auch schon der Trailer andeutet, ziemlich eindrucksvoll ausfallen, denn am Ruder sitzt Werbefilm-Profi Thierry Poirraud, der 2004 in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Didier die Spaßgranate „Atomic Circus“ auf die Menschheit losließ, 2012 als Co-Regisseur für den launigen „Goal Of The Dead“ verantwortlich war und hier seinen – deutlich ernsthafteren – Solofilm präsentiert.

„Alone“ ist ab dem 24. März 2017 auf DVD und Blu-ray und Digital zu haben.

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Handbestäubte Zukunft

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Nach mehreren Büchern für junge Leser hat die norwegische Autorin und Drehbuchschreiberin Maja Lunde mit „Die Geschichte der Bienen“ ihren ersten Roman für Erwachsene vorgelegt, der mittlerweile in mehr als zwei Dutzend Länder verkauft wurde. Der internationale Erfolg mag sich nicht zuletzt deshalb eingestellt haben, weil die 1975 geborene Lunde auf 500 Seiten eigentlich drei Geschichten erzählt. Aus Sicht ihres Protagonisten-Trios, das insgesamt 250 Jahre Menschheitsgeschichte in Vergangenheit und Zukunft abdeckt, werden sich verändernden Werte in Sachen Gesellschaft und Familie geschildert – und natürlich die titelgebende Geschichte der Bienen, deren Sterben seit Längerem die Gemüter erhitzt, die Experten beschäftigt und auf der ganzen Welt Ökosysteme in arge Bedrängnis bringt.

Denn wir brauchen die Bienen, die einen Großteil aller Pflanzen bestäuben und damit einen wichtigen Faktor in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion darstellen. Doch Pestizide, Klimawandel und Parasiten setzen den emsigen kleinen Brummern schwer zu. In Lundes Roman gibt es im Jahr 2098 längst gar keine Bienen mehr. Die menschliche Zivilisation ist in der Folge endgültig kollabiert, und die neue, auf Nährwerte konzentrierte Ordnung erinnert stark an das, was sonst gestandene Science-Fiction-Autoren wie Paolo Bacigalupi (im Shop) beschreiben. Nur China kriegt es noch halbwegs auf die Reihe, da man hier wegen der immensen Umweltverschmutzung schon vor dem Zusammenbruch auf Handbestäubung umgestellt hat. Zugleich wird noch strenger reguliert, und das Kollektiv geht über alles – fast wie bei den ausgestorbenen Bienen früher. Alles im Land ist darauf ausgerichtet, dass die menschlichen Drohnen ab ihrem achten Lebensjahr den ganzen Tag von Hand die Pflanzen und Bäume bestäuben. Ich-Erzählerin Tao gehört zu den Arbeitskräften, die tagein, tagaus schuften, und dieses Schicksal würde sie ihrem kleinen Sohn Wei-Wen gerne ersparen. Als Wei-Wen eines Tages etwas Schlimmes widerfährt, reist seine Mutter bis in das entvölkerte Peking, wo eine geradezu endzeitliche Stimmung herrscht und Tao über eine unglaubliche Entdeckung stolpert …

Zu diesem futuristischen Handlungsstrang gesellen sich zwei weitere, gleichwertige Familienschicksale aus der Vergangenheit: Zum einen ist da William, ein depressiver englischer Familienvater, Saatguthändler und Naturforscher, der sich 1852 leidenschaftlich mit Bienen beschäftigt und den man als den fiktiven Salieri der Imkerei mit Magazinbeuten bezeichnen könnte – seine erfinderischen Kollegen und Bienenfreunde um Lorenzo Langstroth sind ihm ohne sein Wissen oder Verschulden stets einen Schritt voraus, wenn es um brillante Ideen und Einfälle für fortschrittliche Bienenstöcke geht. Zum anderen ist da der amerikanische Honigfarmer George, der 2007 gegen die gefürchtete Diagnose Colony Collapse Disorder genauso kämpft wie gegen Bankkredite und alle möglichen neuzeitlichen Veränderungen – angefangen bei seinem Sohn, der auf dem College studiert und andere Pläne hat, als den Familienbetrieb zu übernehmen, und seiner Frau, die gerne nach Florida ziehen würde.

Am Ende gelingt es Maja Lunde in ihrem gut durchkomponierten Roman, alle Familien, Geschichten und Epochen elegant miteinander zu verknüpfen. Davon abgesehen, hat jeder ihrer Erzähler seine eigene, an die Zeit und den Hintergrund angepasste Stimme und seine eigenen Probleme, die einem als Leser allesamt wichtig sind – da gibt es keinen Protagonisten, dem man lieber folgt, und schon gar kein Schicksal, das einen kalt lässt, während Lundes Hauptfiguren und Zeitebenen sich kapitelweise munter abwechseln. Schön auch, dass über jedem Kapitel der Name der jeweiligen Hauptfigur steht, wofür man in der gedruckten Ausgabe eine zur Zeit passende Schriftart und Schreibweise ausgewählt hat. Ein hübsches Detail im ohnehin richtig hübsch aufgemachten Hardcover.

Drei Länder, drei Zeitalter, drei Geschichten und mehr als drei Genres: Maja Lunde denkt nicht in Schubladen (wenn, dann in Magazinbeuten) und hat eine klare, nichtsdestotrotz berührende Sprache. So gelang ihr ein herrlicher Roman über die Natur und den Menschen sowie die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; über Eheleute, Eltern und Kinder; darüber, wie alle Dinge auf der Welt zusammenhängen, und wie nahe beisammen Hoffnung und Tragödie liegen; und natürlich über Bienen. Das Ergebnis ist literarischer Honig für alle, die außergewöhnliche Bücher mögen und es nicht zu süß brauchen, was die Story angeht.

Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen • btb, München 2017 • Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein • 512 Seiten • Hardcover: 20,00 Euro

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TV-Tipp - Sonntag, 30. April

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Ohne Frage, „Interstellar“ (2014) hat seine Momente. Momente des Staunes, des Wunders, des berauschenden Schauers. Aber auch solche, in denen man fassungslos ist, was Chistopher Nolan (3x Batman) da geritten hat. Unfreiwillige Komik und Elegie passen aber nicht gut zusammen. Unterm Strich bleibt daher ein arg überfrachtetes Spektakel mit gewaltigen Rissen, das immer kurz davor ist, auseinanderzubrechen.

Und dabei geht es doch um das ganz große Ganze. Um das Schicksal der Welt, die am Rande der (Umwelt-) Zerstörung treibt und die in ihrer Verzweiflung ein Häuflein Astronauten auf den Weg schickt, um eine neue Welt zu finden – vermutlich um diese dann auch noch kaputtzumachen, wie SF-Autor Peter Watts in seiner herrlichen Betrachtung des Films spekuliert.

Wer nie “2001“, „Solaris“ (beide Versionen) oder „Der Mann, der vom Himmel fiel“ gesehen hat, für den könnte „Interstellar“ eine Art Bewusstseinsöffner sein, ein SF-Blockbuster mit Ambition, ohne Raumschlachten, strahlende Helden oder ähnlichem Gedöns, dafür mit esoterischen Konzepten, die man schwer durchblickt. Das ist durchaus eine Qualität: der Blick auf ein anderes Kino, andere Literatur, dem hoffentlich der Wunsch folgt, mehr zu entdecken. Wenn das gelingt, hat Nolan alles richtig gemacht, auch wenn er ziemlich krachend scheitert.

Wer „Interstellar“ nicht kennt, sollte unbedingt mal reinschauen und sich selbst ein Bild machen. Dazu gibt es am Sonntag, den 30. April, um 20:15 Uhr auf Pro7 Gelegenheit. Wiederholt wird am 1. Mai um 22:55 Uhr.

Ausführlicher beschäftigt sich Christopher Büchele hier mit dem Film.

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Meiner ist größer als deiner!

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Als Toho Ende 2014 Ankündigungen für einen neuen Godzilla-Film in die Welt schickte, war die Aufregung so groß, dass die altehrwürdige Produktionsschmiede regelrecht mit der Fliegenklatsche informationshungrige Otakus wegpatschen musste. Das Interesse am legendären Megamonster war trotz der Box-Office-Arschbombe „Godzilla: Final Wars“ von 2004 immer noch ungebrochen und wurde von der finanziell erfolgreichen US-Variante „Godzilla“ von Gareth Edwards noch mal so richtig entflammt: Was die Amis können, können wir schon lange und natürlich wird unserer viel größer!

Allerdings schien man aus den Fehlern des Vorgängers gelernt zu haben. Anstatt einen mit Großprojekten dieser Art unvertrauten Krawallbruder wie Ryūhei Kitamura holte man sich dieses Mal mit Hideaki Anno (Co-Schöpfer von „Neon Genesis Evangelion“) und Shinji Higuchi (unter anderem verantwortlich für die Effekte bei Shusuke Kanekos zwischen 1995 und 1999 entstandener „Gamera“-Trilogie) zwei erfahrene Cracks ins Haus, die dann 2016 auch so richtig die Kinokassen in Japan rattern ließen. Kein Film war in diesem Jahr erfolgreicher und auch keiner der Teile der Serie holte mehr Yen nach Hause als „Shin Godzilla“ – die Resonanz war allerdings zwiegespalten, die heimischen Kritiker waren weitaus begeisterter als außerhalb Nippons. Das kann man durchaus nachvollziehen, denn der Film der beiden Regisseure wirkt tatsächlich leicht befremdlich: Wer fluffig leichten Monsterspaß erwartet, wird enttäuscht die Leinwand niedertrampeln, denn der 29. Film der Reihe (wenn man die beiden US-Versionen nicht mitzählt, aber wer macht das schon?) entpuppt sich als verhältnismäßig geerdeter, soweit man das in diesem Zusammenhang sagen kann, „realistischer“ Katastrophenthriller, der ähnlich wie Ishirô Hondas Ur-Film von 1954 Godzilla als Metapher nutzt, in diesem Fall natürlich für die große Katastrophe von 2011.

Der Plot ist dabei an sich der Gleiche wie so oft zuvor; das Monster wird wach und allerlei Leute überlegen sich, wie man es wieder Schlafen legen kann. Anders als zuvor, oder auch bei Edwards Fassung, ziehen hier allerdings, abgesehen von kleineren Rempeleien, Politiker, Militär und Wissenschaftler weitgehend an einem Strang, weswegen dem Film von der Kritik eine patriotische Ader im besten Roland-Emmerich-Stil vorgehalten wurde, zumal auch gegen die USA gestichelt wird, die natürlich gleich alles mit Atombomben platt machen will. Allerdings keilt „Shin Godzilla“ subtil ebenso in die eigene Richtung und macht sich unter anderem über japanisches Krisenmanagement lustig, des weiteren wird auf klassische Plotstrukturen zu Gunsten eines eher gebremsten Tons verzichtet: Helden im klassischen Sinne gibt es nicht, lediglich so was wie eine Hauptfigur, der Community-Gedanke steht aber klar im Vordergrund, es wird zusammen überlegt, ausgelotet, probiert und gewonnen – letzteres sogar nur auf Zeit, der Film verkneift sich auch beim Finale allzu große emotionale Überschwänglichkeiten.

Die eigentliche, auf dem ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftige, auf dem zweiten aber liebevoll gestaltete und – man hat Wort gehalten – über 10 Meter größere Hauptattraktion, schaut da gerade mal in einer Handvoll Szenen vorbei, allerdings sind diese auf das Wunderbarste mit perfektem Timing in die Handlung eingebunden, man kann den Machern nicht gerade vorwerfen, dass sie ihr größtes Kapitel sinnlos verheizen. Vor allem eine Sequenz dürfte zum Godzilla-Evergreen mutieren: Wenn das von der US-Air-Force attackierte Monster glühend ein nächtliches Tokio beleuchtet und unter Schmerzen, auf der Tonspur begleitet von einer klassischen Arie, mit einem ausgespieenen Flamenstrahl die Stadt in ein nukleares Feuer taucht, werden Fan-Knie weich, das sind ikonische, mit einem guten Schuss Tragik gewürzte Momente, die tief den Geist des Originals einatmen.

„Shin Godzilla“ ist sicherlich ein Film, über den man sich, wie bei allen Teilen von langlebigen Franchisen, wunderbar die Köppe einhauen kann, es ist aber kein Film, der spurlos an einem vorübergeht und das ist für den immerhin 29. Teil einer Serie ein ordentliches Plus auf dem Konto.

„Shin Godzilla“ läuft zwischen dem 03.05. und dem 07.05.2017 im Kino– alle Termine auf das-monster-kommt.de

Shin Godzilla• Japan 2016 • Regie: Hideaki Anno, Shinji Higuchi • Darsteller: Hiroki Hasegawa, Yutaka Takenouchi, Satomi Ishihara, Ren Ôsugi, Pierre Taki, Jun Kunimura • Abb.: © 2016 Toho Co. Ltd.

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Leicht entflammbare Endzeit

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Die meisten wissen inzwischen, dass Joe Hill (im Shop) der Sprössling von Autorengott Stephen King (im Shop) ist. Wer das weiß, hat in der Regel aber auch mitbekommen, dass der 1972 geborene Sohn der Horror-Legende sich mit seinen in „Black Box“ gesammelten Kurzgeschichten, Romanen wie „Blind“ oder „Christmasland“ und der Comic-Serie „Locke & Key“ selbst einen Namen als Horror-Autor gemacht hat, der mit dem Bram Stoker Award, dem World Fantasy Award, dem Eisner Award, dem British Fantasy Award, dem Thriller Award und dem International Horror Guild Award ausgezeichnet wurde. Mit seinem neuesten Roman „Fireman“ (im Shop), der im englischen Original die Bestsellerliste der „New York Times“ anführte, bereits für eine Verfilmung vorgesehen ist und seit Anfang Mai auf Deutsch bei Heyne vorliegt, legt Hill nun seinen ersten endzeitlichen Science-Fiction-Roman vor – und setzt das Subgenre ideenreich in Flammen, während er die moderne Zivilisation abfackelt.

Aus Sicht der hilfsbereiten, willensstarken Krankenschwester Harper beschreibt Hill, wie die Menschheit von einer Sporenplage in die Knie gezwungen wird. Wer sich den Pilz einfängt, erkennt das erst an schwarz-goldenen Streifen auf der Haut, die immer auf ein bestimmtes Ende hinauslaufen: Patienten, die sich mit Draco Incendia Trychophyton angesteckt haben, verbrennen am Ende sich selbst und alles in ihrer Nähe. Durch die katastrophale pyromantische Flammenseuche, die Amerika heimsucht, verliert Harper ihre Ehe und ihr bisheriges Leben. Allerdings bewahrt sie der so genannte Fireman, der die Feuerkrankheit anscheinend zu beherrschen gelernt hat, vor Schlimmeren und bringt Harper in ein gut verborgenes Camp. Dort verstecken sich viele Infizierte vor ihren Häschern, die der Seuche mit Verfolgung und Auslöschung Einhalt gebieten wollen, wohingegen sie im Camp die Flammen regelrecht willkommen heißen und akzeptieren. Außerdem wird das Lager mit strenger Hand geführt, sodass es nicht lange dauert, bis es für Harper erneut heiß hergeht …

Letztlich bedient Joe Hill mit seinem bis dato dicksten Werk, an dem er vier Jahre gearbeitet hat, nicht nur das endzeitliche Genre, sondern gleich auch noch das dystopische. Gespeist ist sein üppiger Ausflug in diese rege besuchte Ecke der zeitgenössischen Science-Fiction-Literatur von großen, erfolgreichen Autoren wie Ray Bradbury, J. K. Rowling und, natürlich, Stephen King, der mit „The Stand“ einst ebenfalls ein umfangreiches Endzeit-Epos verfasst hat – Hill sagt mittlerweile, dass es für ihn nach all den Jahren angenehmer ist, die Fußspuren seines berühmten Vaters bewusst zu durchkreuzen, anstatt sie mühsam und verkrampft zu umgehen. Dazu kommt, dass „Fireman“ mehr noch als „Christmasland“ deutlich macht, zu welcher Generation Hill gehört. Jener Generation Autoren nämlich, um die herum das Geektum respektabel und salonfähig wurde, weshalb sie letztlich aus dem Herzen ihres eigenen Geek-Königreichs schreiben, das sie mit vielen anderen teilen, die Feuer und Flamme für dieselben Dinge sind. Im Fall von „Fireman“ sieht man das an jeder Menge Anspielungen und Referenzen auf Mary Poppins, Captain America, The Walking Dead (im Shop), die Transformers und vieles mehr.

Joe Hill verbrennt seit „Teufelszeug“ unterwegs eigentlich immer etwas zu viel Papier und dürfte gerne mal wieder einen etwas dünneren Roman schreiben – trotzdem bietet „Fireman“ das innovativste und fantastischste Endzeit-Szenario seit Langem. Wer die üblichen Beschränkungen und Bedingungen leid ist, wenn es um den Untergang der heutigen Zivilisation geht, und auf dicke Wälzer mit einem hitzigen Hauch von Dystopie steht, dürfte am Ende höchstwahrscheinlich zu den vielen Lesern gehören, deren Lesedurst Mr. Hill mit seinem „Fireman“ problemlos zu löschen vermag.

Joe Hill: Fireman • Aus dem Englischen von Ronald Gutberlet • Heyne, München 2017 • 958 Seiten • E-Book: 13,99 Euro (im Shop)

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Christopher Golden (im Shop) schreibt und schreibt und schreibt, und zwischendurch gibt er auch noch Anthologien heraus. In den letzten Jahren arbeitete der 1967 geborene Amerikaner mit Hellboy-Schöpfe Mike Mignola an diversen Comics, Büchern und Anthologien zusammen, außerdem schrieb Golden in seiner Karriere schon Romane zu Multimedia-Erfolgen wie „Alien“, „Buffy“ und „Battlestar Galactica“ (über seinen „Engels-Punisher“ breiten wir lieber mal den Mantel des Schweigens). An der Buchfront ist nach dem Techno-Thriller „Krieg der Maschinen“ und dem SF-Horror in „Alien – Der verlorene Planet“ soeben Goldens Mystery-Thriller „Snowblind“ auf Deutsch erschienen, der u. a. von Horror-König Stephen King (im Shop) in höchsten Tönen gelobt wurde, während auch George R. R. Martin (im Shop) und Jonathan Maberry voll des Lobes für ihren fleißigen Kollegen sind.

„Snowblind“ wurde von Stephanie Pannen übersetzt und präsentiert sich als eines von Goldens typischen, unübersehbar auf Gefälligkeit getrimmten Werken, die Genre-Fans und Mainstream-Leser gleichermaßen goutieren können sollen. Solide Figuren und Dialoge aus dem belletristischen Baukasten für amerikanische Kleinstädte treffen auf eine übernatürliche Komponente um frostige Monster, eisige Tragödien und kaltes Graues im Blizzard, wobei geliebte Menschen auseinandergerissen und unverhofft wieder zusammen gebracht werden und sich dem kalten Schrecken stellen müssen. Das füllt mit mal höheren, mal flacheren literarischen und dramaturgischen Schneewehen handelsübliche 450 Seiten und liegt bei Cross Cult als Paperback und E-Book vor.

Christopher Golden: Snowblind – Tödlicher Schnee • Cross Cult, Ludwigsburg 2016 • 455 Seiten • Paperback m. Klappenbroschur: 15,00 Euro

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Stürmische Zeiten

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Ein Geostorm ist eine kataklysmische Katastrophe, erfahren wir in Dean Devlins Kracher „Geostorm“ bald, eine Verkettung von Wetterkatastrophen, die ein Unwetter schier biblischen Ausmaß entstehen lassen. Praktischerweise können NASA-Wissenschaftler in der nahen Zukunft offenbar auf die Minute genau voraussehen, wann so ein Geostorm beginnt, so dass bald ein Countdown startet: 90 Minuten bleibt unserem Helden Jake Lawson (Gerald Butler) noch, um das Desaster zu verhindern, doch bis dahin werden „kleinere“ Unwetter schon Moskau, Dubai, einen Slum in Indien und diverse andere Orte auf der Welt zerstört haben, die so schnell Flutwellen, Hagel, Vereisungen und allen anderen erdenklichen Wetterkatastrophen zum Opfer fallen, dass man bald den Überblick verliert.

Ja, „Geostorm“ ist einer dieser modernen Blockbuster, der sich in gigantomanischen Zerstörungsorgien gefällt, aber keine Figur opfern mag, die länger als zehn Sekunden im Bild zu sehen ist, dafür aber Millionen Gesichtslose über die Klinge springen lässt. Einzige Ausnahme ist der Bösewicht, denn im Gegensatz zu etwa Roland Emmerichs Wetter-Schocker „The Day After Tomorrow“, ist nicht das Wetter, also die Natur an sich der Antagonist, sondern finstere Politiker. In bester „24“-Verschwörungsmanier versuchen die, eingebettet ins Weiße Haus, die Macht an sich zu reißen, diesmal allerdings nicht durch Attentate oder Terror, sondern tatsächlich durch das Wetter. Denn in der nahen Zukunft, in der „Geostorm“ spielt, ist es der Menschheit gelungen durch Geoengineering das Wetter zu kontrollieren und damit die zunehmenden Auswüchse des globalen Wetters abzuschwächen.

Was sich auf den ersten Blick wie Science-Fiction anhört ist in Wirklichkeit eine Technik, über die zunehmend nachgedacht wird und von China schon eingesetzt wurde, um etwa während der Olympischen Spiele im notorisch versmogten Beijing, die Luft zu verbessern. Gerade angesichts eines amerikanischen Präsidenten, der den Klimawandel verneint eigentlich ein extrem zeitgemäßes Thema, auch wenn man sich vielleicht fragen kann, ob zumindest der amerikanische Zuschauer angesichts der jüngsten Welle von Hurrikans, die ganze Städte unter Wasser setzten, Lust darauf hat, sich im Kino von Naturkatastrophen unterhalten zu lassen. Dabei ist „Geostorm“ – das späte Regie-Debüt des langjährigen Roland Emmerich-Mitarbeiters Dean Devlin – tatsächlich ein großer Spaß, ungefähr auf dem Level der frühen, überdrehten und kruden Emmerich-Filmen wie „Universal Soldier“ oder „Stargate“. Filme also, die als Basis spannende Ideen hatten, die Grundlage von schlichter B-Picture-Dramaturgie waren. In dieser Manier läuft auch „Geostorm“ ab, ohne besondere Logik, aber mit einer Rasanz, die beeindruckt. Dass er am Ende ein bisschen zu schlicht ist, um als Kommentar über die Auswüchse des Klimawandels ernst genommen zu werden – was ursprünglich fraglos intendiert war – mag man bedauern, allerdings sollte man ja nun wirklich nicht ins Kino gehen müssen, um von der Realität der Erderwärmung überzeugt werden zu müssen.

„Geostorm“ startet am 19. Oktober im Kino.

Geostorm• USA 2017 • Regie: Dean Devlin • Darsteller: Gerald Butler, Jim Sturgess, Ed Harris, Andy Garcia, Alexandra Maria Lara

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Erwachsenwerden in der Endzeit

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Am Tag vor ihrem dreizehnten Geburtstag erfährt Magda, dass die Welt in einem Jahr durch einen gewaltigen Vulkanausbruch und andere Naturkatastrophen untergeht. Die Menschen wissen also, dass ihr Leben nach dem nächsten Durchlauf der Jahreszeiten vorbei sein wird, und das verändert alles. Manche versuchen, einfach stoisch weiterzumachen, bis selbst sie keinen Sinn mehr in Schule oder Job sehen; andere brechen sofort mit ihren bisherigen Lebensgewohnheiten, um die letzten Monate all das zu machen, was sie bis dato nie getan haben. Magdas Vater zum Beispiel verlässt seine Frau und seine beiden Töchter, damit er mit seiner Geliebten zusammen sein kann. Als die Ordnung der Dinge immer deutlicher zu zerbröckeln beginnt und auch schon mal der Strom ausfällt, weil niemand mehr im Kernkraft zur Arbeit erscheint, schaltet Magda ebenfalls auf rücksichtslos: Wenn sie schon nur noch ein läppisches Jahr hat und jung sterben muss, will sie mitnehmen, was geht. Sie lässt sich unbedacht mit Jungs ein und schließt sich sogar einer Diebesbande an, deren Mitglieder keine Angst vor dem sicheren Tod haben …

Mit „Magdas Apokalypse“ gibt die 1988 geborene Fotografin Chloé Vollmer-Lo ihr vielversprechendes Debüt als Comic-Autorin. Obwohl die Prämisse ihres Szenarios um den Druck der feststehenden Apokalypse so neu nicht ist und z. B. an Ben Winters endzeitlichen Roman-Krimi „Der letzte Polizist“ (im Shop) erinnert, hat sie durch die überzeugend ausgeführte Coming-of-Age-Komponente doch ihre eigene Variante geschaffen. Als eifriger Genre-Leser freut man sich besonders darüber, dass ihre emotional einnehmende Endzeit-Geschichte nicht zur kitschigen Sorte gehört, obwohl sie für die sympathisch realistisch angelegte Magda eine nette Romanze mit einem verruchten Jungen bereithält. Die funktionierenden Klischees, die Vollmer-Lo in ihrer Story verbaut, stören unterwegs zum Finale kein bisschen, zumal sich ihr Ende in seiner Konsequenz bewusst von der schmusigen Genre-Verwandtschaft abwendet.

Anders als Vollmer-Lo, hat die Illustratorin und Storyboard-Künstlerin Carole Maurel seit 2012 bereits mehrere Comics veröffentlicht. Ihr hübscher Stil zeigt einmal mehr, dass die Comic-Welt enger zusammenrückt. Oft kann man ohne Vorwissen gar nicht mehr bestimmen, ob eine Bildergeschichte nun von einem ehemaligen Disney-Animationszeichner aus den USA, einem Independent-Künstler aus Kanada, Brasilien oder Israel, oder von einem Zeichner aus dem frankobelgischen Raum stammt. Die letzten zwei Generationen Kreativer wurden von denselben Comics, Manga und Anime geprägt, und oft kommt bei den Machern ein Background in den Bereichen Werbung oder Animation dazu. Das aus diesen Einflüssen kanalisierte Ergebnis kann sich aber in jedem Fall sehen lassen, und „Magdas Apokalypse“ bildet da keine Ausnahme. Der 1980 geborenen Maurel gelingt es scheinbar problemlos, Verzweiflung, Zügellosigkeit, Sex und Gewalt ausdrucksstark festzuhalten.

„Magdas Apokalypse“ ist ein starkes endzeitliches Coming-of-Age-Drama, das den drohenden Weltuntergang als Brandbeschleuniger nutzt. Man sieht die im Kino wenig beachtete, von der Kritik gepriesene Independent-Verfilmung aus Frankreich und die Geheimtipp-Ausstrahlung auf Arte praktisch schon vor sich.

Chloé Vollmer-Lo & Carole Maurel: Magdas Apokalypse• Splitter, Bielefeld 2017 • 192 Seiten • Hardcover: 24,80 Euro

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